Der Mühlengrund entlang der Göhl in Hauset

Eine kleine Industriezone

Hauset und sein Mühlengrund

 

In dem Beitrag "Hauset und sein Mühlengrund" im Band 2 des Heimatbuches Hauset hat Dr. Hermann Heitmann 20212 ein umfassende Beschreibung abgeliefert, um das Entstehen der Mühlen entlang der Göhl im späten Mittelalter zu beleuchten. An dieser Stelle möchten wir diesen Beitrag zusammenfassen und die wichtigsten zeitgeschichtlichen Erkenntnisse wieder zu geben.

 

In Hauset handelte es sich nicht um romantische Getreidemühlen, "es klappert die Mühle am rauschenden Bach", schreibt Heitmann, die Mühlräder trieben in Hauset Maschinen und Anlagen an, die zum Metallumformen und der Textilindustrie an. Es handelte sich also ausnahmslos um 'Werkmühlen'. 

 

Alle acht Bäche der Aachener Reiches, allen voran die Wurm, waren dicht besetzt mit insgesamt 46 Mühlen, so dass man unweigerlich anderswohin ausweichen musste. Deshalb findet man interessanterweise unter den zwei Besitzern der Mühlen in Hauset Ende des 18. Jahrhunderts zwei Familien, die auch an der Grenze zwischen dem Aachener Reich und der Reichsabtei Burtscheid zwei Mühlen betrieben, nämlich die Familie Heyendael und das Haus Holsit. Diese Namen finden wir auch im Theresianischen Kataster aus den Jahren 1771-1774. In Hauset lieferte das Flüsschen Geul (Göhl) der Industrie und dem Gewerbe das notwendige Wasser. 

 

Von den Mühlen ist Hauset kaum noch etwas übrig geblieben, vor etwa hundert Jahren finden wir aber noch im Katasterplan der Gemeinde Hauset den Mühlgraben und das Speicherteichsystem das zum Mühlenbetrieb gehörte. Der Bürgermeister von Hergenrath, zum dem Hauset gehörte, beschreibt 1820 und 1830 in seinem Bericht an die vorgesetzte Behörde in Aachen, wo sich die Mühlen befinden. Die Göhl, so schreibt er, die ihren Ursprung im ostnördlichen Teil der Gemeinde Eynatten nimmt, erreicht das Dorf Hauset auf ihrem südwestlichen Lauf eine ostwärts gelegene , dem Herrn Nellessen aus Aachen gehörende Spinnerei, namens Fingerhutsmühle sowie eine etwa hundert fünfzig Schritte südwärts gelegene Walkmühle, Lohnmühle genannt. Auf dem weiteren südwestlichen Lauf der Göhl kommen wir nach etwa zehn Minuten zu einer Spinnerei nebst Walkerei, Kupfermühle genannt. Sie gehört der ebenfalls aus Aachen stammenden Maria Catharina Schyns. Von hier treibt die Geul in Richtung des Ortsteils Hergenrath, wo nach einer drei viertelstündigen Entfernung eine dem Herrn Jacob Maus aus Aachen gehörende Walkerei mit Rauh- und Schermaschinen, mit zwei Rädern. Wir sind an der Hammermühle angelangt, die allerdings zu Hergenrath gehört. 

 

Vor 1800 müssen also in Hauset diese drei vom Bürgermeister genannten Mühlen bestanden haben. Es sollen aber mindestens sechs Mühlräder gewesen sein,  schreibt Heitmann, und er beschreibt danach die  Mühlen und deren Geschichte.

 

Die Kupfermühle in der Stöck zu Hauset

 

Ein genaues Datum für das Entstehen der Kupfermühle kann man nicht genau festlegen, schreibt Heitmann. Anhaltspunkte für das Entstehen kann man jedoch von ähnlichen betrieben ableiten. Denn Karl der Kühne, der Herzog von Burgund, hatte 1466 die Stadt Dinant, die über eine blühende Messingverarbeitende Industrie verfügte, gründlich zerstört, weil sie sich gegen ihn aufgelehnt hatte. Die Unternehmer und Teile des Personals waren daraufhin nach Aachen gezogen, da das Aachener Reich ausserhalb des Herrschaftsbereichs von Burgund lag. Man kann also fast sagen sie sind dorthin geflüchtet. Darauf entstanden an den Aachener Bächen neue Mühlen und auch Kupfermühlen, zum Beispiel an Diepenbenden und Steinebrück. Von hier war es nach Hauset nicht sehr weit, und weil Ende des 15. Jhd. Aachen zu einem Zentrum der Messingverarbeitung wurde, so liegt ein möglicher Zeitraum für den Bau einer Kupfermühle in Hauset um den Beginn des 16. Jhd. Gestützt wird dies durch die Information, wonach 1547 in Hergenrath eine Lohmühle in eine Kupfermühle umgewandelt wurde. Förderlich für die Messingindustrie war auch die Tatsache, dass es im Raum Aachen, wie am Altenberg, Zugang zu den reichen Galmei- und Zinkerzgruben hatte. Zink wurde nämlich mit Kupfer zu Messing vermischt. Später wanderte die Messingindustrie aus Aachen nach Stolberg ab, aus mehreren Gründen. Dies könnte auch den Niedergang der Kupfermühlen in Hauset verursacht haben, denn 1770 verzeichnet die Ferrariskarte keine aktiven Mühlen mehr in Hauset, nur in Eynatten eine Getreidemühle. Über 100 Jahre hatte Hauset zu einem verzweigten System der Kupfer- und Messingindustrie gehört. Weiter beschreibt Heitmann, wie in Hauset wahrscheinlich Kupfer verarbeitet wurde. An den heutigen Baulichkeiten kann man jedoch nicht mehr erkennen, dass es sich wohl um eine "Hammermühle" gehandelt haben muss.

 

Wie von Dr. Heitmann in seinem Beitrag anhand des Berichts des Hergenrather Bürgermeister an die Behörde geschildert, und wie des weiteren im "Mühlenkataster" von Eupen wiedergegeben, arbeitete an der Kupfermühle, ebenfalls am Göhlbach im Ortsteil Stöck gelegen, um 1820 eine Spinn- und Walkmühle, die dem Frl. (Mlle) Maria Catharina Schyns aus Aachen gehört.  Es sollen ein Spinnassortiment, zwei Walken und ein Spülkumpf vorhanden gewesen sein, mit 21 Arbeitern. Als Besitzer dieser Mühle wird 1830 Herr Borstenblei in Aachen genannt. Die Spinnassortimente waren nun auf vier vergrößert und es wurde 47 Arbeiter beschäftigt. 

 

Vielleicht stand die Mühle dann einige Jahre leer, aber 1866 eröffneten Mitgliedern der Familie Arnold Schunck aus Kettenis dort ihren Betrieb, schreibt Heitmann weiter. Deren Chronik ist im Internet zu finden. Demnach "zogen Arnold und sein Bruder Ludwig 1866 nach Hauset wo sie in einer leerstehenden Mühle auf der Göhl, der Kupfermühle, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten versuchten. Sie fingen an für die Industrie Garne und Stoffe zu färben und auszurüsten". Jedoch schon am 25. August 1874 gibt laut Heitmann das Standesamt Heerlen Auskunft, dass ich Arnold Schunck mit seiner Frau Anna und dem kleinen Sohn Peter in Heerlen niederließ und zwar "im Viertel A Nr. 112." Dabei wurden drei zerlegte Webstühle, Stoffballen und Habseligkeiten auf Fuhrwerken von Hauset nach Heerlen verfrachtet. Somit war die Familie Schunck nur eine Episode von acht Jahren, vielleicht auch weil die Färberei zu schweren Umweltbelastungen führte. Der Nachfolger Anton Radermacher hatte zumindest im Zuge des Genehmigungsverfahrens für seine Färberei und Spinnerei mit heftigen Protesten der Anlieger der Göhl zu kämpfen (1879).  Die Spinnerei der Anton Radermacher brannte allerdings 1881 ab, ein zweiter Brand ereignete sich 1888. Anton Radermacher verstarb 1895 an Typhus. 

 

Heitmann berichtet weiter dass nach mündlichen Erzählungen um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd. ein Textilbetrieb von dem Fabrikanten Steins in der alten Kupfermühle betrieben wurde. Dieser Betrieb arbeitete dort bis 1955. Danach dienten die Gebäude nur noch landwirtschaftlichen Zwecken und wurden etwa seit der letzten Jahrhundertwende zu Wohnzwecken genutzt. Die Stauweiher des Mühlenbetriebs sind noch erhalten. 

 

Dr. Heitmann beschreibt sowohl die Arbeitsweise in der Kupfermühle als auch die Entwicklung zum Textilbetrieb anschaulich in seinem Beitrag unter dem Menü "Heimatbuch Hauset - Band 2". 

 

Die Fingerhutsmühle an der Göhlstraße in Hauset

 

Während sowohl der damalige Bürgermeister von Hergenrath die Mühle an der Straße "An der Vollmühle", der ersten in seinem Bericht, Fingerhutsmühle nennt und sie auch im weiteren Verlauf des 19. Jhd. so genannt wird, ist die 150m weiter gelegene Mühle an der heutigen Göhlstraße als Walk- / Vollmühle bezeichnet. Heitmann vermutet in seinem Beitrag dass es auch anders gewesen sein könnte, denn die Mühle an der Göhlstraße ist kleiner und durchaus ausreichend für die Fertigung von Fingerhüten, für eine Walkmühle könnte der Platz aber zu klein gewesen sein. Das war an der oberen Mühle anders, denn dort verfügte man über ein Mühlgraben- und Mühlteichsystem. 

 

Wie dem auch sei, Heitmann beschreibt anschaulich in seinem Beitrag auch wie die Fertigung von Fingerhüten vonstatten ging, und wie diese natürlich auch in der Textilindustrie verwendet wurden. 

 

Das heute als Fingerhutsmühle bezeichnete Fabrikgebäude befand sich in seiner ursprünglichen Form zur Zeit des theresianischen Kataster 1771-1774 und bis weit in die Jahre 1820-1830 im Besitz der Herren Nellessen aus Aachen, die dort eine Spinnerei betrieben mit "Scheer- und Rauhmaschinen". Sie hatten diese Spinnerei im Jahre 1813 dort eröffnet. Dies war noch in der Franzosenzeit schreibt Heitmann, kurz bevor sich 1815 die politischen Verhältnisse änderten und Hauset zu Preußen gehörte. Gleichzeitig entstanden aber in England die ersten Textilmaschinen, mit erheblichen Folgen für den Arbeitsmarkt. Carl Nellessen investierte gerade in diese Maschinen, wie auch aus der Beschreibung der Spinnmühle in Hauset durch den Bürgermeister von Hergenrath im "Eupener Mühlenkataster" von 1820 zu lesen ist. Beschäftigt waren 45 Arbeiter. Der Betrieb firmierte 1830 als "Nellessens Fabrik ehemals Fingerhutsmühle auf der Geul zu Hauset". Auch die Maschinen werden wieder aufgelistet, sie kamen wohl von Cockerill in Verviers, schreibt D. Heitmann weiter. Beschäftigt waren jetzt 60 Arbeiter.

 

Dies war wohl auch 1861 noch so wie wir aus einem Beitrag im "Echo der Gegenwart" von einem Reporter erfahren. Auch die fünfzig Meter weiter gelegene Mühle, von dem Bürgermeister als Walkmühle bezeichnet, gehörte mit dazu.

 

Wenige Jahre später müssen die beiden Mühlen wohl den Besitzer gewechselt haben, denn schon um 1866 tauchen die in Hauset sesshaften Familien Bischoff und Bohlen als Besitzer auf. Sie betrieben dort ebenfalls eine Spinnerei, wie wir aus verschiedenen Anträgen an die Bürgermeisterei Hergenrath erfahren, so zum Beispiel auf einem Situationsplan aus dem Jahre 1866 und einem Genehmigungsantrag für Abwässer aus dem Jahre 1868. Diese Anträge wurden von dem langjährig zuständigen Bürgermeister Cornel Mostert bewilligt. Johann Egidius Bischoff, der auch Ortsvorsteher war und 1872 das silbernes Jubiläum in diesem Amt gefeiert hatte, verstarb dann 1880. Ob der Betrieb schon zu diesem Zeitpunkt oder später ganz in den Besitz der Familie Bohlen übergegangen war, steht nicht ganz fest. Tatsache ist aber dass die Familie Bohlen ab etwa 1880 als Eigentümer auftrat, obwohl der Name des Unternehmens Bischoff & Bohlen noch lange erhalten blieb. 

 

Nach dem Staatenwechsel im Jahre 1920 legte die belgische Verwaltung auch auf den Betrieb Hand an und dieser geriet in den Trubel der Auseinandersetzungen zwischen den "pro-deutschen" und "pro-belgischen" Bewegungen der Zwischenkriegszeit. So war zum Beispiel Peter Bohlen Mitgründer des Heimatbunds Eupen-Malmedy-Sankt Vith. Noch vor Ausbruch des Krieges wurde die Mühle an der heutigen Göhlstraße umfunktioniert als Jugendherberge und sie diente während des Krieges als "Begegnungstätte". Die Spinnerei war nach wie vor aktiv, wie auch Dr. Heitmann in seinem Beitrag dokumentiert, durch den Bericht eines Jungen  aus der katholischen Jugendgruppe aus Bonn (von Hans Paul Koll, erschienen in der Zeitschrift "Im Göhltal" Nr. 87 vom Februar 2011). Nach Kriegsende geriet die Firma und damit der Betrieb unter Sequester und firmierte nunmehr als Fileries de Chartreuse. Es waren nach wir vor bis in die fünfziger Jahre Hauseter Arbeiterinnen und Arbeiter dort beschäftigt und Alfons Bohlen fungierte mit als Betriebsleiter. Nach seinem Tod im Jahre war aber 1959 die Präsenz der Familie beendet, der ganze Besitz wurde von den Erben versteigert. Dazu gehörten neben den Betriebsgebäuden auch einige Villen und andere Wohnhäuser, sowie größere landwirtschaftliche Güter. 

 

Das Gebäude der Fingerhutsmühle wurde in den 1990-er Jahren von der Firma des Franz Heutz für das Unternehmen Heutz-Maschinen genutzt. So kam es zu einer späten indirekten Verbindung von zwei Hauseter Familien die mit ihren Betrieben, die Bohlens mit der Spinnerei, und die Heutz' mit der Dachziegelfabrik lange Zeit den bescheidenen "Industrie"-Charakter des kleinen Ortes bestimmt hatten. 

 

Abschließend bemerkt Dr. Heitmann noch, dass von den beiden Mühlrädern an der Fingerhutsmühle und an der Vollmühle nichts mehr erhalten ist. Die historische Dampfmaschine aus dem Jahre 1896, die ab etwa 1916 für Strom gesorgt hatte, wurde als Schrott angeboten, der Stauweiher der Spinnerei zugeschüttet. 

 

Den Beitrag von Dr. Hermann Heitmann finden Sie in voller Länge im Menü "Heimatbuch Hauset - Band 2".

 

 

Die Lohmühlen in Hauset

Auszüge aus dem Beitrag "Hauset und sein Mühlengrund" von Dr. Hermann Heitmann im Heimatbuch Hauset - Band 2 - 2012

 

Im Theresianischen Kataster von 1771-1774 sind in Hauset zwei  Lohmühlen erwähnt, eine der Witwe B. Borstenbley gehörend, die andere dem Johann Winand Heyendael aus Astenet. Der Bürgermeister von Hergenrath führt in seinen Berichten an die vorgesetzte Behörde in Aachen von 1820 und von 1830 keine  Lohmühlen mehr auf. Sie scheinen also in preußischer Zeit nicht mehr bestanden zu haben. Auch der Ort an dem diese Lohmühlen arbeiteten lässt sich nicht mehr bestimmen. Es kann aber sein, dass  vorhandene Mühlen zum Loh-Stampfen umgerüstet wurden. Eine solche Mühle könnte dann auch schnell zum Tuchwalken umgebaut werden und da gab es dann ja zu Beginn der 19. Jahrhundert einige.

 

Heitmann beschreibt dann in seinem Beitrag erneut anschaulich die Funktionsweise einer Lohstampfmühle und warum dazu Eichenlohe verwendet wurde. Diese konnte teilweise in den umliegenden Wäldern gewonnen werden. 

 

Es ist also davon auszugehen, dass sich die Lohmühlen an denselben Stellen entlang der Göhl in der Nähe des Dorfes Hauset befunden haben, die im Bericht des Bürgermeisters genannt sind, dort wo nach 1800 die Spinnereien und Walkmühlen entstanden. Auch vor 1800 werden sich die beiden Lohmühlen an den gleichen Stellen befunden haben, nämlich an der Fingerhutsmühle und an der Kupfermühle. 

 



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