Ab wann gehörte Hauset ganz zum Herzogtum Limburg? Wie entstand die Grenze von Hauset?
Warum ist es wichtig, sich überhaupt mit der Grenze eines so kleinen Ortes wie es Hauset ist zu beschäftigen? Als Verfasser dieses Beitrags muss ich gestehen, dass es sicher eine Menge persönlicher, ja emotionaler Gründe hierfür gibt. Ich wurde an dieser Grenze geboren und habe auch 60 Jahre meines Lebens wortwörtlich auf dieser Grenze gelebt, stand doch mein Elternhaus nur wenige Schritte entfernt von dem sogenannten Aachener Landgraben, dem Schutzwall, der ab 1611 das Aachener Reich vom Herzogtum Limburg trennte. Emotional auch deshalb, weil sowohl meine Familie, als auch alle Bewohner des kleinen Ortes die Grenze wohl auch anders gekannt haben, als in Form eines Grabens, der von Buchen bewachsen war. In früheren Zeiten, im Mittelalter also, war es nämlich so, dass die Grenzen zwischen den Herrschaftsgebieten durchlässig waren und höchstens durch Markierungen wie Grenzsteinen gekennzeichnet wurden, meistens aber, wie wir noch sehen werden, durch Merkmale die sich in der Natur wiederfanden. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es zu bestimmten Zeiten im Mittelalter wohl möglich war von Brügge nach Konstantinopel wohl ohne "Reisepass" oder andere Papiere zu reisen, obschon man zahllose Herrschaftsbereiche aller Art durchquerte. Es gab höchstens Hebegebühren und Wegegelder, die hier und dort erhoben wurden und es gab natürlich auch die Räuber und Wegelagerer, die einem nach dem Geld und nach dem Leben trachteten.
Mit dem Entstehen der Nationalstaaten zu Beginn des 19. Jahrhundert entstanden auch die Grenzen in der Form, wie wir sie zumindest bis zu deren "Aufhebung" mit dem Abkommen von Schengen gekannt haben. Es waren aber nicht nur die Barrieren, Schlagbäume und Zollhäuschen die mich dabei gestört haben. Es waren vor allen Dingen die Gedanken in den Köpfen der Menschen, die das Bild einer grenzenlosen Europäischen Union, so wie wir alle sie uns seit 1956 wünschten, immer wieder zunichte machten. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben deshalb eine so hohe Anziehungskraft auf die Menschen aus der ganzen Welt, weil sie den Kontinent in alle Richtungen durchqueren können, ohne sich um eine Grenze zu scheren. Es ist das Land der grenzenlosen Freiheit. Davon sind wir in der Europäischen Union noch weit entfernt.
Im Gegenteil: solange die Nationalstaaten nicht überwunden sind, sind auch die Grenzen nicht überwunden, weder physisch, wie wir in der Pandemie gesehen haben, noch mental in den Köpfen, wie wir immer wieder feststellen müssen. Grenze ist eben nichts Positives, der Begriff ist schwer belastet, nicht weit entfernt von Ausgrenzung. Das ist es, was wir tagtäglich erleben und was gerade in den letzten Jahren immer erneut zum Vorschein kommt.
Darum ist es erstaunlich festzustellen, wie der Begriff Grenze immer wieder verwendet wird, um alle möglichen Zustände in unserem tagtäglichen Leben zu beschreiben. Besonders wir hier ist Ostbelgien sind ja förmlich von Grenzen umzingelt, nicht nur von staatlichen Grenzen, die auch die staatliche Zugehörigkeit definieren, sondern auch von Sprachgrenzen, die verschiedene Lebensräume, allerdings weniger scharfkantig, abbilden. Die Grenze begegnet uns jeden Tag, wenn wir die Zeitungen aufschlagen, sowohl diesseits wie auch jenseits der Staatsgrenze. Man definiert sich sozusagen durch Abgrenzung. Damit meine ich nicht nur das Grenzecho, das zwar den Bindestrich aus seinem Namen streicht, aber ansonsten die Grenze weiter zelebriert. Es gibt aber zahlreiche andere Beispiele, die sicher nicht alle böse gemeint sind. Aber so nennt sich der Verkehrsverein am Dreiländereck "Syndicat d`initiative des trois frontières", während der frühere Bürgermeister der Gemeinde Vaals den Ort "de drie landen gemeente" nennt. Man beachte den feinen Unterschied. Die Presse in Aachen definiert sich auch immer im Verhältnis zur Grenze, mit Begriffen wie jenseits der Grenze, Grenzland,...
Was zeigt uns dies: auch wenn die Grenzen eigentlich seit dem Abkommen von Schengen am 14. Juni 1985 ihre Bedeutung verloren haben, so sind die Grenzen, die durch den Staats-Nationalismus des 19. und des 20 Jhd. entstanden sind, nach wie vor nicht aus den Köpfen der Menschen verschwunden, auch wenn die europäische Politik dies als Errungenschaft verkaufen möchte. Natürlich hat sich vieles gebessert, aber schon der kleinste Funke genügt, um den Nationalismus erneut aufflammen zu lassen, auch manchmal in seiner hässlichsten Form, wie die Flüchtlingskrise beweist.
In seinem neuen Buch "Die Identität der deutschsprachigen Belgier" widmet der Eynattener Professor an der Westfälischen Hochschule Essen, Bernhard Bergmans, dieser Grenzlandmentalität einige Passagen ( "Die Identität der deutschsprachigen Belgier" - Bernhard Bergmans - Verlag Logos Berlin 2020 - S....)
Der Leser möchte mir als Verfasser den Exkurs mit persönlicher Note an dieser Stelle verzeihen, aber der Beitrag soll keine rein wissenschaftliche Abhandlung sein. Es genügt wenn ich die wissenschaftlichen und geschichtlichen Quellen zu Rate ziehe. Deshalb bleibt auch etwas Raum für Interpretationen, ja selbst für Eindrücke oder Gefühle.
Hauset im Aachener Reich?
Um nun festzustellen, wo die Grenzen von Hauset waren, kann man weit in die Geschichte zurückgehen. Hauset an sich ist erst seit 1266 erstmals erwähnt worden, aber zu welchem Herrschaftsbereich gehörte das winzige Siedlungsgebiet zu dieser Zeit? Um diesen Gedanken nachzugehen, stütze ich mich auf verschiedene Veröffentlichungen und Beiträge. Um die Zeit von 1266 bis etwa 1300 sind viele Orte beurkundet in unserer Heimat, und in Hauset soll wohl bereits zu diesem Zeitpunkt eine Burg gestanden haben. Diese hat Dr. Heitmann versucht zu beschreiben in seinem Beitrag zum Heimatbuch Hauset Band 2 "Hauset und seine Burg".
Diese Burg lag aber ganz offensichtlich an einem Ort, der heute noch " e jen dörp" bezeichnet wird, ganz nahe der heutigen St. Rochus-Kapelle. Um die Burg herum müssen wohl auch einige Gebäude oder Gehöfte gestanden haben, aber mehr wissen wir nicht. Dieser Ort ist aber nicht identisch mit dem Ort Hauset, so wie wir ihn heute kennen. Denn jenseits der Göhl, in Richtung Norden und dem Aachener Reich, befanden sich ebenso einzelne Gehöfte oder Feuerstellen, wie sie damals bezeichnet wurden. Wir wissen aus anderen Dokumenten, dass der Wald im Süden von Aachen, auch Reichswald genannt, bis an die Göhl heranreichte und nur Lichtungen oder Rodungen in diesem Wald die Möglichkeit boten, sesshaft zu werden. Hierbei spielten Bäche wie die Göhl oder das Rotsief auch eine Rolle.
Wenn der Wald bis zur Göhl reichte und der Herrschaftsbereich des Aachener Reiches ebenfalls, so muss ein Teil des Gebietes, das wir heute Hauset, nennen noch zum Aachener Reich gehört haben. Wo verlief also hier genau die Grenze und wie entwickelte sich diese? Dies hat ziemlich genau Dietmar Kottmann in einem Sonderdruck der „Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Band 117/118 – 2015/2016“ mit dem Titel "Grenzumschreibungen im Aachener Westen im 14. Und 15. Jahrhundert" dargestellt. Dies sind also geschichtliche Erklärungen nach der Zeit des oben erwähnten 13. Jahrhundert. Es sei deshalb daran erinnert, das gegen Ende des 13. Jhd., nämlich 1288, das Herzogtum Limburg zum Herzogtum Brabant geschlagen wurde und in Personalunion von Herzog Johann von Brabant verwaltet wurde.
Weiter stütze ich mich auf den Beitrag von Alfred Minke im Heimatbuch Hauset Band 1, "Hauset im Zeitraffer der Jahrhunderte" sowie auf den Beitrag von Dr. Hermann Heitmann im Heimatbuch Hauset - Band 2, "Hauset durch die Jahrhunderte - eine Zeitreise aus Sicht einer Schülerin von Jules Cravatte". Schließlich lasse ich auch meine eigenen Beobachtungen einfließen, die sich weniger auf die Vergangenheit beziehen, sondern vielmehr mit der Gegenwart beschäftigen, so wie wir sie heute erleben oder zumindest in unserer Generation erlebt haben.
Die Zeit vor dem Herzogtum Limburg (etwa 1020)
Heitmann geht zurück bis in die Zeit der Römer, also die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt, um festzustellen, dass es aus dieser Zeit keine Funde gibt, die im Gebiet des heutigen Hauset eine Besiedlung bezeugen würden. Man kann also hier nur Vermutungen anstellen. Immerhin verliefen einige Römerstraßen nicht weit entfernt (Kinkebahn). In seinem Beitrag beschriebt Heitmann, ... dass das Gebiet von Hauset wohl am Rande des Militärgebietes von Aachen lag und dass die Stadt wohl durch permanente Brandrodung (Fränkisch: Heide) gegen das keltische Umland abgegrenzt war. Der Flurname Hauseter Heide deutet darauf hin, dass das heutige Hauset an diesem Brandrodungsgürtel lag.
Als Quelle gibt er das Buch von Axel Hausmann an: Aduatuka - Cäsars Legionslager in Aachen; 2001 ISBN 3-8311-2860-X.
In den drei Jahrhunderten von 400 bis 700 nahmen zunächst die Merowinger und anschließend die Karolinger das Land in Besitz. Ab dem 3. Jahrhundert waren nämlich die Franken in unser Gebiet eingesickert, sie wurden zunächst noch von den Römern zurück geschlagen, später aber militärisch stärker und politisch mächtiger. Das Römische Reich wurde 396 geteilt und das Weströmische Reich verfiel im Jahr 476. Wenige Jahre später kam es zur Schlacht bei Zülpich (496), als der bedrängte fränkisch-merowingische König Chlodwig I den christlichen Gott um Hilfe anrief und im Fall des Sieges über die Alemannen dem Christentum beitreten wollte. So geschah es dann auch. Grenzen gab es noch keine.
Die Karte des Aachener Reiches ist das Werk des Raerener Geologen und Graphikers Christoph Laschet, der auch u.a. die Beiträge von Dietmar Kottmann zu den Grenzbeschreibungen des Aachener Reiches (siehe hiernach) mit mehreren Karten veranschaulicht hat. Wir danken für die freundliche Erlaubnis zur Wiedergabe der Karte - siehe unten.
Das Herzogtum Limburg entsteht
Zu dieser Zeit war das Gebiet von Hauset noch immer fast ganz mit Wald bedeckt, wie aus der Karte "Die frühgeschichtliche Waldbedeckung der Rheinlande (etwa 500 n. Chr.)" nach einem Entwurf von Prof. Dr. O. Schlüter, Halle, im Beitrag von Heitmann wiedergegeben. Wagen wir deshalb den Sprung etwa 500 Jahre später, zu Beginn des 11. Jahrhundert. In dieser Zeit entstand wohl so um 1020 das Schloss Limburg und das Herzogtum Limburg. Dieses war gekennzeichnet durch eine Zerstückelung des gesamten Siedlungsgebietes zwischen Maas und Rhein, in dem sich viele größere und kleinere Herrschaftsbereiche tummelten. Einer dieser Herrschaftsbereiche war das Aachener Reich, dessen Grenze D. Kottmann in dem oben genannten Beitrag beschrieben hat und den wir hiernach teilweise wiedergeben. Die Grenzumschreibung aus dem 14. und dem 15. Jhd. (das ist in etwa die Zeit von 1300 - 1400) im Aachener Westen berührt deshalb das Gebiet, das wir heute Hauset nennen und nach diesen Umschreibungen lag zumindest die Hälfte des heutigen Ortes im Aachener Reich oder in dessen Einflusssphäre. Es ist das bewaldete Gebiet nordöstlich des Baches Göhl gelegen, auch Reichswald genannt. Der Teil von Hauset, der südwestlich der Göhl lag gehörte wohl schon zum Einflussbereich des Herzogtums Limburg.
Hauset kommt zum Herzogtum Limburg
Dieses Herzogtum Limburg war infolge der Schlacht von Worringen im Jahre 1288 schon zum Herzogtum Brabant geschlagen worden und wurde von den Herzögen von Brabant von nun an in Personalunion verwaltet. Grenzen im eigentlichen Sinne gab es zu dieser Zeit immer noch nicht. Das unbesiedelte Waldgebiet zwischen dem Aachener Reich und der Bank Walhorn gab jedoch immer wieder Anlass zu Grenzstreitigkeiten zwischen dem Aachener Reich und dem Herzogtum Limburg.
So lesen wir bei Heitmann: Ein bis heute für Hauset nachwirkendes Ereignis soll sich unter der Herrschaft Philipps des Guten von Burgund (1419-1467) ereignet haben. Es wird berichtet, dass er nach einer Heiligtumsfahrt nach Aachen 1439 auf dem Rückweg u.a. das Hauseter Grenzgebiet für sich „kassiert“ habe. Dies geschah nicht wegen Hauset, aber es war jener Streifen, im Reichswald von Aachen gelegen, zu dem auch die Galmei-Bergwerke am Alten Berg bei Kelmis gehörten.
In den Jahren zuvor, schon zu Beginn des 14. Jhd., hatte es immer wieder Streitigkeiten gegeben zwischen dem Herzogtum Limburg und der freien Reichsstadt Aachen, dem Aachener Reich, wegen des Reichwaldes, den beide als ihr Territorium beanspruchten. So schreibt Kottmann: Die schriftliche Überlieferung zur Aachener Westgrenze reicht nicht bis in die Zeit vor 1288, also in die Zeit eines eigenständigen Herzogtums Limburg zurück. Erste schriftliche Quellen gibt es erst seit dem zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, als es nämlich zu ersten Konflikten an der Grenze kam. Erfolgreiche Beschwerden der Aachener beim Hof von Brabant gegen die Beeinträchtigung ihrer Rechte und gegen das Beseitigen oder Versetzen von Grenzpfählen sind seit dem 9. November 1321 mehrfach urkundlich dokumentiert. Sie konnten aber immer beigelegt werden. Daran änderte sich auch nach dem Erwerb Brabants durch das Haus Burgund zunächst nichts. Erst als Herzog Philipp der Gute den zunehmenden wirtschaftlichen Wert des Galmeivorkommens am Alten Berg zwischen Kelmis und Moresnet, gelegen im Aachener Reich, erkannte, trat ein Wandel ein.
Jedenfalls notiert eine Aachener Chronik aus dem Jahr 1439 hierzu, …. „und behielt der hertzogh von Brabant den Calmeybergh mit gewaltt in“. Kurz zuvor, nämlich 1423, hatte König Sigmund Aachen den Besitz des Aachener Reichs – darunter ausdrücklich den Kailmynberg in dem reiche zu Achen – bestätigt und eine weit nach Westen und Süden greifende Grenze gegenüber dem lande zu Lymburg anerkannt.
Weiter bei Kottmann: Immer wieder stellte man sich in Aachen die Frage: War dies Land einstmals Aachener Territorium, aus dem man von übermächtigen Nachbarn herausgedrängt worden war? Die Grenzbeschreibung nennt keinen linearen Verlauf, sondern umschreibt ein großes Waldgebiet. Es gab demnach eine weitgehend an der Göhl orientierte Grenze nach Westen und über den Höhenrücken des Aachener Waldes verlaufend eine zweite Grenze im Osten.
Aber zurück zum oben erwähnten Weistum von 1423: es sah keine lineare Grenzziehung vor, vielmehr orientiert man sich an "... buschen, heiden, wassern und weiden". Eine genaue Grenzmarkierung war also nicht angestrebt. Interessant ist allerdings bei diesen Betrachtungen, dass die Nutzung des Reichswalds, nicht nur im Süden sondern auch im Osten des Aachener Reiches, Nutzungsrecht für die anliegenden Gemeinden vorsah, also nicht nur für die Bewohner der Stadt oder des Aachener Reiches. Dies galt auch für die Quartiere der Bank Walhorn (Astenet, Eynatten, Hauset, Hergenrath, Kettenis, Merols, Rabotrath, Raeren, Neudorf und Walhorn), obschon Walhorn nicht Bestandteil des Aachener Reiches geworden war.
Insofern scheint es berechtigt zu vermuten, dass das Hauseter Gebiet im Aachener Reichswald gelegen, bis hin zur Göhl, erst 1439, durch die Besitznahme durch den Hof von Brabant zum Herzogtum Limburg gelangte. Der Sohn Philipp des Guten, Karl der Kühne, hatte auch in unserer Gegend mit den Stadtgemeinden zu kämpfen. Erinnert sei nur an den Aufstand der 600 Franchimontesen bei Theux, die 1468 gegen ihn opponierten.
Die Karte des Aachener Reiches ist das Werk des Raerener Geologen und Graphikers Christoph Laschet, der auch u.a. die Beiträge von Dietmar Kottmann zu den Grenzbeschreibungen des Aachener Reiches (siehe hiernach) mit mehreren Karten veranschaulicht hat. Wir danken für die freundliche Erlaubnis zur Wiedergabe der Karte - siehe unten.
Die Grenzbeschreibung im Aachener Westen von Dietmar Kottmann
Wir geben hier auszugsweise und mit freundlicher Genehmigung den Grenzverlauf und die Grenzbeschreibung des Reichwaldes im Aachener Westen (und Süden) wieder, so wie ihn Dietmar Kottmann in seinem Beitrag "Grenzumschreibungen im Aachener Westen im 14. und 15. Jahrhundert", erschienen in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Heft 117/118 (2015-2016) genauestens dokumentiert hat. Die dazugehörige Karte zeigt uns auch die neue, spätere Grenze des Aachener Reiches, die mit der heutigen Staatsgrenze am Landgraben übereinstimmt.
Die Karte des Reichwalds, eine Karte gezeichnet von dem gerade im Sommer 2021 durch das Grenzecho als "Herr der Karten" geadelten Geologen und Graphiker Christoph Laschet aus Raeren (siehe hierzu Grenzecho vom 17.08.2021) gibt 42 Grenzpunkte wieder, die wir hier im einzelnen kurz beschreiben, die natürlich auch tabellarisch in dem Beitrag von Kottmann wiedergegeben sind. Er bezieht sich dabei auf verschiedene Weistümer und Grenzziehungen, hauptsächlich auf das Weistum aus dem Jahre 1386, von dem auch eine Kopie im Quartier Walhorn zu finden war; die Grenzbeschreibung von König Sigismund von 1423 und einigen weiteren Grenzbeschreibungen aus dem Herzogtum Limburg, der Reichsabtei Kornelimünster und dem Gudungbuch (beginnt 1446) von Walhorn 1682.
Die 42 Grenzpunkte sind die folgenden, in Schrägschrift die Bezeichnung im Weistum, zitiert nach KRAUS, Regesten 6 - Band 6
1. Neudorf an der Iter Neudorp an die Ytter
2. Katharinenbusch Cantrijen
3. Diebach (oder Mühlensief) Rubartzborn
4. Weser Weissel
5. Klapperbach Claperbach
6. Weg von Monschau nach Eupen paet, der von Monsoije zu Oepe gaet
7. Eschbach Eyschbach
8. Steinbach Steynbach
9. Weser
10. Petergensfeld Peter Kindtfeld
11. Genagelter Stein (an der Straße nach Roetgen gelegen) clumpen Heyershart
12. Grenzstein "Beirbum" die strass gaende under
13. Inde Fluss abwärts die Inde nieder biss aan
14. Falkenberg (bei Schmithof) - Klotzberg den berg welcher Falckenberg heischt
15. Schmithofer Weg - Grindel in die Mückenweg
16. Gieselbach Geisselborn
17. Orsbach (an der Monschauer Straße gelegen)
18. Iter (im Tal an der Monschauer Straße, Kreuzung Walheim - Sief)
19. Kinkebahn Breyte Weg
20. Abenteuer (Flurname verlorengegangen) Abentheuer
21. Freyenter Wald an den gefaltenen Stein
22. Gut Hebscheid schorrenstein vom hoff zu Hepscheydt
23. Schellartshof Schellarts Hoff
24. Dreischeidt (alter Grenzpunkt Abtei Burtscheid, Aachener Reich, Schönforst) Dreyscheidt
25. Königsberg Bluwisberch
26. Hirtzpley elden stock an der hirtz
27.Steinknipp - erhaltener Grenzstein am Steinknipp
28. Kreuzerthal eende crice weegen
29. Lütticher Straße - erhaltener Grenzstein an der Lütticher Straße
30. Agantha-Eich Sint Abelde
31. Reinartzkehl Rheinartskeel
32. Berg nahe dem Dreiländereck op Sinte Huybrechtsberch
33. Gemmenicher Bach int loch vom gemmenicher bach
34. Göhl (ab jetzt folgt die Grenze dem Bach Göhl bis zur Göhlquelle, quer durch Hauset) Goell
35. Moresnet Moresneit
36. Kelmis Kelmeis
37. unter der Brücke von Hergenrath onder de brugge van hergenraeden
38. alter Weg Aachen-Raeren Raederstrasse
39. Göhl Hauptquelle bei Totleger Goellenborren, dahin die Goell springt
40. Gut Kalkofen (Steinkaul) Kalckoffent
41. Bickelstein Buckelstein
42. Raeren, am Bach bei Neudorf raederen in die busch zu neudorp
Auf der Karte ist die Ausdehnung des Reichswald grün markiert. Wir können daraus schlussfolgern: Der heutige Dorfkern von Hauset mit Kirche, Schule und Pfarrhaus liegt also gegen Ende des 14. Jahrhundert eindeutig im Reichswald. Dieser Teil des Reichswalds war, wenn überhaupt, zu dieser Zeit wohl noch sehr wenig besiedelt, im Gegensatz zum "Limburger" Teil des Ortes, um die frühere Burg Hauset gelegen.
Erst nachdem Philipp der Gute den größten Teil des Reichwalds im Handstreich 1439 "kassiert" hatte, lag das Gebiet des heutigen Hauset also ganz im Herrschaftsbereich der Fürsten von Burgund, dem Herzogtum Limburg.
Sowohl vor diesem Datum als auch danach, stand der Reichswald zur Nutzung durch die Bewohner der umliegenden Dörfer zur Verfügung. Dort durfte zum Beispiel Holz gesammelt werden, auch von den Bewohnern der Bank Walhorn. Doch schon im 15. und 16. Jahrhundert kam es immer wieder zu Grenzstreitigkeiten, vor allen Dingen zu Lasten der Bewohner der Reichsstadt Aachen. Diese konnten aber meist vor dem Hof von Brabant geregelt werden.
Aber wie sah denn Hauset um 1439 überhaupt aus?
Es müssen wohl nur einzelne Häuser und Höfe gewesen sein, die weit verstreut in der Landschaft versteckt lagen. Laut Alfred
Minke in dem bereits erwähnten Beitrag, finden wir aus dieser Zeit weitere Hinweise auf Hauset. "1422 erwarb Kairsillis von Eupen, Erbmarschall des Herzogtums Limburg, ein
Gut zu „Huylsit“, das die „Jungfer von Layr“ hinterlassen hatte. 1426 wurden „Robeirt van Strythagen“ und Reynart van den Sassen“ nach dem Tod des „Bertram van Lare“ je zur Hälfte mit dem Hof zu
„Welschen Hauset“ belehnt, den sie von der Frau des Verstorbenen geerbt hatten. Ein Jahr später übertrug „Robeirt van Strythagen“ seine Hälfte an Johann van Gronsfelt und die beiden Söhnen seiner
Frau „Mattehyain“. Somit waren die Besitztümer derer von Hauset schon zu Beginn des 15. Jhd. auseinandergerissen".
Hiernach sind noch weitere Transaktionen erwähnenswert, schreibt Alfred Minke und führt einige auf. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Burg Hauset wohl von Wassergräben umgeben war und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durchaus noch intakt war. Um diese Burg herum (sie stand unweit der heutigen Kapelle) standen einige Gehöfte, die zwar nicht im Original, wohl aber die Turbulenzen von Jahrhunderten überlebt haben.
Nach 1439 gibt es verschiedene Belege, dass Hauset nun endgültig und ganz zur Bank Walhorn gehörte, einem Gerichts- und Verwaltungsbezirk im Herzogtum Limburg. Im Verzeichnis der Steuerpflichtigen des Herzogtums aus dem Jahre 1445 erscheint Hauset ("Holset") mit 35 Personen eindeutig als Teil der limburgischen Bank Walhorn. Ein 1469 von Rentmeister Jan de Hertoge aufgestelltes Verzeichnis erwähnt Hauset mit 38 Feuerstellen, d.h. Wohnstätten, ebenfalls als eine zur Bank Walhorn gehörende Ortschaft, so Minke weiter.
Die Bank Walhorn mit dem Quartier Hauset im Herzogtum Limburg gehörten bis 1477 zum Hause Burgund.
Es entsteht die Grenze am Landgraben (1611)
Gehen wir aber wieder zurück in die Zeit nach der Herrschaft des Hauses Burgund bis 1477. Das Herzogtum Limburg mit Brabant gehörte nun zum Herrschaftsbereich der österreichischen Habsburger, von deren Herrschern der bekannteste wohl Karl V. ist, der 1555 abdankte. Die Streitigkeiten zwischen dem Herzogtum Limburg und dem Aachener Reich dauerten auch im 16. Jhd. nach wie vor an.
Kottmann schreibt: Erst im 17. Jahrhundert hat es dann noch eine Verständigung auf eine neue, dazwischenliegende Grenzlinie gegeben, die mit der heutigen deutschbelgischen Grenze übereinstimmt. Es war dies die Geburt des Landgrabens.
Das Waldgebiet wird deshalb 1611 durch einen Vertrag zwischen Erzherzog Albrecht von Österreich, als Landesherr von Limburg, und dem Aachener Reich, vertreten durch die Schöffen, durch einen Graben geteilt. Jahrelange Streitigkeiten gingen zu Ende. So entstand der Landgraben, der von Bildchen bis nach Lichtenbusch führte, vorbei an Hergenrath und Hauset, über Köpfchen, den Zyklopensteinen und dem Landwehrring. Der Landgraben ist in seinem Verlauf heute noch erkennbar. Besonders markant sind dabei die Hainbuchen, die über Jahrzehnte auf dem Erdwall gewachsen sind. Zunächst bildete der Landgraben die Grenze des Aachener Reichs zum Herzogtum Limburg, nach dem Ersten Weltkrieg zeichnete der Landgraben die Grenze zwischen dem Königreich Belgien und dem Deutschen Reich. Bis heute ist er die Grenze zwischen Belgien und Deutschland. Dazu später noch mehr.
In dem Beitrag "Burg, Dorf und Pfarre Hauset im Zeitraffer" , erschienen im Heimatbuch Hauset - Band 1 (2011) schreibt Alfred Minke unter anderem, dass die Eroberungskriege von Ludwig XIV. (Louis Quatorze) großes Elend über die Bevölkerung der Bank Walhorn brachten. So brannten 1684 alle 25 Häuser des Quartier Hauset aus. 1691 plünderten Truppen aus Brandenburg und Hessen erneut die Gegend.
An dem Bild von Hauset muss sich wohl auch in den 300 Jahren der Zugehörigkeit zum Herzogtum Limburg seit 1439 nicht allzu viel geändert haben. Eine kleine Ansammlung von Gebäuden oder Feuerstellen bestand wohl rund um die heutige Rochus-Kapelle, in deren Nähe auch eine Burg zu finden war (Siehe hierzu im Menü Hauset - Heimatbuch 2 den Beitrag von Dr. Heitmann, "Die Burg zu Hauset"). Kleinere Ansiedlungen gab es wohl an Vestert, in der Stöck, in Fossei und entlang der Göhl mit den Mühlen. Das Theresianische Kataster vermeldet um 1771--1774 insgesamt 66 Häuser und 2 Lohmühlen in Hauset. Auf den Ferraris-Karten aus dieser Zeit sind die rot markierten Wohnstätten gut zu erkennen.
Die Folgen der Französischen Revolution
Mit dem Ende des Ancien Régime kam es zur Zeit der französischen Besatzung zu neuen Verwaltungsstrukturen. Die revolutionären Ideen und auch später das Kaiserreich Napoleons warf alle alten Strukturen über den Haufen. Das Herzogtum Limburg wurde aufgelöst, die ganze Republik wurde in Départments aufgeteilt, auch die Gebiete des heutigen Belgien, das von Frankreich annektiert worden war. Die Départments wiederum waren aufgeteilt in cantons (Kantone) und diese in mairies, in Bürgermeistereien. Die Grenze lag nun am Rhein. Wer sich also der Einberufung entziehen wollte, musste über den Rhein flüchten. Die Bevölkerung, auch in Hauset, das zur Bürgermeisterei Hergenrath gehörte, wurde ansonsten nicht von Grenzen behelligt, denn auch die nördlichen Niederlande wurden für einige Jahre von Frankreich annektiert.
Die Französische Revolution und ihre Folgen hatten jedoch die Keimzelle gelegt zu dem nach Waterloo einsetzenden Trend zum Nationalismus. Erstmals wurde jetzt Europa nach Nationalstaaten aufgeteilt. So entstand in unserer Nachbarschaft 1815 das Vereinigte Königreich der Niederlande und das Königreich Preußen hatte sich auf linksrheinische Gebiete ausgedehnt. Hauset gehörte nach wie vor zur Bürgermeisterei Hergenrath, allerdings jetzt zum Königreich Preußen. Die neue Staatsgrenze verlief entlang der Chaussee Aachen - Lüttich über Kelmis und entlang der Straße von Eupen über Herbesthal bis zum Weißen Haus. Dazwischen lag noch ein schmaler Gebietsstreifen mit den Galmeigruben in Kelmis, den man Neutral-Moresnet nannte. Diese neuen staatlichen Grenzen wurden nun erstmals in der Geschichte nicht nur mit Steinen gekennzeichnet, sondern auch hier und dort mit Grenzstationen versehen.
Für Hauset gab es zu dieser Zeit keine Grenze, denn man war nun dem Königreich Preußen zugehörig und der Landgraben bildete nur die Grenze der Gemeinde Hergenrath, zu der Hauset gehörte, zur Stadt Aachen. Über die Besiedelung des Ortes Hauset gibt das Preußische Urkataster von 1825-1828 Auskunft, dass wir an anderer Stelle auswerten. Etwa zur gleichen Zeit wurden auch die Gemeinden in ganz Preußen verpflichtet, ein Gemeindebuch zu führen. Über den Inhalt dieses Gemeindebuches und dessen Hinweise auf Hauset haben wir im Heimatbuch Hauset - Band 2 berichtet, dessen Inhalt über das Menü zu finden ist.
Anmerkung: Im Westen der Gemeinde Hergenrath entstand 1830 eine neue Staatsgrenze durch die Loslösung der südlichen Provinzen aus den Vereinigten Niederlanden, was zur Bildung eines neuen Staates, dem Königreich Belgien führte. Nach einer Gebietsverkleinerung dieses neuen Staates im Jahre 1839, gab es keine Grenzverschiebungen in unserer Heimat. Die Bürgermeisterei Hergenrath grenzte nach wie vor an die Bürgermeisterei Preußisch-Moresnet, sowie natürlich an Eynatten und Walhorn. Hauset war aber, was die Grenze betraf nicht davon betroffen, diese Gemeinden waren alle dem Königreich Preußen zugehörig.
Hauset im 19. Jahrhundert
In Bezug auf die Besiedelung des Gebietes, dass man Hauset nannte, erwähnte noch im 19. Jhd. der von mir bereits oft an anderer Stelle zitierte Reporter der Aachener Zeitung "Echo der
Gegenwart" in einem Beitrag von Januar 1861, dass die Häuser und Gehöfte weit verstreut in der wunderschönen Landschaft lagen: "... die ganze Gegend kam uns wie ein großes Saatfeld
vor, in das die Hand eines himmlischen Sämanns die vereinzelten Menschenwohnungen wie Saatkörner ausgestreut habe". Über den Grad der
Bebauung vor diesem Jahr gibt eine Karte von 1858 Aufschluss, die uns vom Diözesan-Archiv in Aachen zur Verfügung gestellt wurde (siehe unten). Die Namen der Familien finden wir in
einem Seelenverzeichnis von 1846 des Eynattener Pfarrers Krichels, der auch für Hauset zuständig war. Dieses Verzeichnis ist auch im Heimatbuch Hauset - Band 2 wiedergegeben und im
entsprechenden Menüpunkt einzusehen.
Dann geschah es, dass Hauset Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur eine gewisse Eigenständigkeit als Gemeinde erhalten hatte, sondern sich auch von der Pfarre Eynatten löste und 1861. Der zweite Hauseter Pfarrer Wilhelm Brammertz schrieb 1869 in seiner Chronik, "... Hauset ist eigentlich kein Dorf, sondern nur eine Streusiedlung". Da war rund um die heutige Kirche bereits ein kleines neues Dorfzentrum entstanden.
Dieses neue Dorfzentrum ging, man muss es immer erwähnen, auf die Initiative des Ortsvorstehers Johann Egidius Bischoff zurück, der auch für eine gewisse Zeit Ortsbürgermeister der eigenständigen Gemeinde (1848-1877) war. Dieses neue Zentrum entstand zwischen 1854 und 1861. Das Zentrum des Dorfes lag nunmehr an der neuen Kapelle, dem heutigen Standort der Kirche (1860), wo auch das Schulgebäude (1855) und das Pfarrhaus (1860) angrenzten. Ganz in der Nähe befanden sich, und befinden sich auch heute noch, mehrere ältere Gehöfte und Gebäude, die nach wie vor gut erhalten sind.
Etwas mehr als fünfzig Jahre sollte es nun dauern bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Ein Einwohnerverzeichnis und ein Kataster aus den Jahren vor Ausbruch des Krieges ist auch in dem Heimatbuch Hauset - Band 2 wiedergegeben. Mit Blick auf die Grenzen sei folgendes erwähnt.
Über das Zusammenleben der Menschen im Gebiet des Vierländereck gibt es ein interessantes Buch von Dr. Ruland, welches in 2018 erschien ist. Auskunft. Ruland schildert darin, wie die Bewohner in diesem Lebensraum durchaus über die Grenzen hinweg miteinander kommunizierten, gab es doch Familien, die in jedem der vier Staaten Angehörige hatten. Auch gab es in preußischer Zeit und auch in der Zeit des Deutschen Reichs nach 1871 besonders viele Zuwanderungen in unser Gebiet, die zu einem Großteil aus dem südlichen Teil der niederländischen Provinz Limburg kamen, so aus Vijlen, Epen, Mechelen oder Vaals und Wittem. Dies war auch für Hauset der Fall. Ebenso haben wir auch in Hauset viele Zuwanderungen aus den benachbarten Gemeinden des Münsterländchens (Kornelimünster) sowie Stolberg und Roetgen zu verzeichnen. Ruland schildert weiter, wie abrupt der Erste Weltkrieg und seine Folgen dies veränderten. Dies war im hohen Maße die Schuld der deutschen Besatzer, die sich auf grausame Weise an der Bevölkerung im Königreich Belgien in ihrem nationalistischen Wahn austobten. Dieser Nationalismus trat zwar auch in anderen Ländern zu Tage, er sollte aber in unserem Lebensraum einen bleibenden, leider verheerend trennenden Eindruck hinterlassen, der später noch verstärkt wurde.
Die Staatsgrenze entsteht in Hauset
Mit dem Vertrag von Versailles entstand 1920 eine neue Staatsgrenze zwischen dem Königreich Belgien und dem was vom Deutschen Reich übriggeblieben war. Diese Staatsgrenze verlief in Hauset entlang dem Landgraben, dessen Entstehen wir ober beschrieben haben. Die Grenze war für die Bevölkerung ein neues Erlebnis, denn zunächst war die Grenze geschlossen und konnte später nicht problemlos überschritten werden. Es gab natürlich eine grüne Grenze durch den Aachener Wald, die auch durchlässig war. Auch nach dem Ersten Weltkrieg hatte zunächst eine Schmuggelzeit eingesetzt, denn es herrschte Hunger und Mangel. Nachdem dies überwunden war entstanden die Grenzen in den Köpfen der Menschen. Ein Teil der Bevölkerung fühlte sich dem neuen Staat Belgien hingezogen, ein anderer Teil wollte zurück nach Deutschland. Diese Spaltung ging durch die Familien, so auch in Hauset. Manchmal optierten Familienmitglieder für Belgien, andere wiederum für Deutschland. Ein markantes Beispiel war das der Familie Niederau.
Die Folgen des Zweiten Weltkriegs
Noch vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs gewann die Grenze bei Hauset nicht nur für die hiesige Bevölkerung an Bedeutung. In Deutschland war das Naziregime an die Macht gekommen und Adolf Hitler ließ auf einer Linie vom Niederrhein bis an die Grenze des Saarlands einen Wall bauen, den er den Westwall nannte. Auch in Hauset entstand auf der deutschen Seite der Grenze ein System von Panzersperren und Bunkern, und zwar in kürzester Zeit seit 1938. Von Lokalhistorikern aus Brand bei Aachen erfahren wir, dass Hitler selbst die Arbeiten zweimal in Augenschein nahm und dabei wohl auch einmal an Köpfchen aufgetreten ist. Für die Bevölkerung konnte man nichts Gutes ahnen und als die Lage sich zuspitzte, hatte auch Belgien nicht nur die Festungen bei Lüttich ausgebaut, sondern versuchte auch die kleine Grenze bei hauset mit Schikanen zu versehen. Am Tage des Kriegsausbruchs am 8. Mai 1940 wurde die Bogenbrücke über das Göhltal von belgischen Pionieren gesprengt.
Per Erlass gliederte Hitler die Kantone (Kreise) Eupen-Malmedy und dazu auch noch die altbelgischen Gemeinden völkerrechtswidrig an das Deutsche Reich an (18. Mai 1940). Und wieder war es so, dass ein Teil der Bevölkerung dem Vorgehen zujubelte, ein anderer Teil dies verabscheute. Hauset gehörte nun zur Amtsgemeinde Kettenis und zumindest für vier Jahre war die Grenze nicht mehr vorhanden. Sie blieb allerdings sichtbar, war doch auch die Sperre am Westwall bei Köpfchen nicht so durchlässig wie man es sich vorstellen konnte.
Als im September 1944 die Amerikaner bis an die Grenzen von Aachen vorstießen, wurden sie in Hauset wie die Befreier empfangen, was sie auch ohne Zweifel waren. Inzwischen musste wohl jeder erkannt haben, welches Unheil das Naziregime angerichtet hatte. Aber der Krieg war noch nicht zu Ende. Während Belgien in Verwaltung und Schule wieder versuchte eine gewisse Politik der Französierung durchzusetzen, kam es parallel zu dem was die Historiker "Die Säuberung" nannten. Viele Mitläufer des Naziregimes landeten in belgischen Gefängnissen. In seinem Buch "Die Identität der deutschsprachigen Belgier" von Bernhard Bergmans, erschienen im Logos Verlag Berlin 2020, bemerkt dieser, ich meine zu Recht, dass die Repression in Belgien aber in keiner Weise zu vergleichen war mit dem was man an anderer Stelle in Europa erlebte. Jedoch ließ der Versuch der belgischen Behörden, der Bevölkerung einen Stempel der "belgitude" auszudrücken, seine Spuren. Die Autonomiebewegung und die darauf folgende Autonomie für den größten Teil der früheren Kreise Eupen-Malmedy, wohl heute eher als Eupen-Sankt Vith zu benennen, offiziell Deutschsprachige Gemeinschaft, ist heute eine anerkannte Gemeinschaft in der belgischen Verfassung mit eigener Legislative (Parlament) und einer eigene Exekutive (Regierung).
Nach dem letzten verheerenden Krieg, den noch einige wenige Dorfbewohner in ihrem Gedächtnis und in ihren Erinnerungen haben, war die Grenze zu Aachen für die Bewohner von Hauset zunächst einmal dicht, an Köpfchen entstanden nun zwei Zollämter. Der wechselseitige Zugang war nur mit Passierscheinen möglich, aber recht schnell normalisierte sich die Situation. Zunächst wurde die Grenzmarkierung bis etwa 1953 durch den Schmuggel verstärkt, der an der hiesigen Grenze und weiter im Süden überall für helle Aufregung sorgte. Der Hauseter Pfarrer Duschak bemerkte in seiner Pfarrchronik, das wohl in Hauset jede Familie schmuggelte und mancher hat sich dabei durchaus auch ein bisschen hinzuverdient. Dieses Schmuggler-Gen ging aber nie ganz verloren. In den Jahren von 1950 - 1990 war es nämlich für nahezu jeden eine Notwendigkeit, entweder im nahen Aachen als auch in Vaals oder Heerlen die Dinge des täglichen Bedarfs und auch Verbrauchsgüter einzukaufen, die eben jenseits der Grenze günstiger waren. Nach dem Wirtschaftswunder war in der neuen Bundesrepublik vieles preisgünstiger als in Belgien, sodass der Schmuggel eigentlich nur in eine Richtung ablief. Das man bei jedem Grenzübertritt Gefahr lief, "geschnappt" zu werden, nahmen die Hauseter in Kauf, man konnte sich mit der Grenze arrangieren. Aus dieser Zeit gibt es viele Schilderungen, Bücher, ja sogar Filme, die aufzuzählen hier zu weit führen würde.
Die Europäische Union
In der politischen Entwicklung in Europa kam es über verschiedene Etappen von einer Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zu einer Europäischen Union (EU) die einen einheitlichen Wirtschaftsraum schaffte, der 1993 Wirklichkeit wurde. Die Zollbarrieren wurden nicht nur auf dem Papier, sondern auch vor Ort abgebaut. Mit den Zollhäuschen ging es nicht ganz so schnell, aber immerhin wurden sie in Hauset in einen Kulturstätte verwandelt. Was aber nicht abgebaut wurde, waren die Grenzen in den Köpfen der Menschen. Auch als 1996 der Vertrag von Schengen in Kraft trat, mit dem alle Grenzkontrollen innerhalb der EU fortfielen, war natürlich ein erstes Etappenziel erreicht. Von einem grenzenlosen Raum konnte man aber nicht sprechen, da aller Ortens Ressentiments immer neu hochkamen. Für Hauset war das insofern interessant zu beobachten, dass der Bauboom in der Gemeinde (Hauset wurde 1977 ein Ortsteil der neuen Gemeinde Raeren), es mit sich brachte, bei einigen Bewohnern ein zwiespältiges Verhältnis entstand zur Zuwanderung, vor allen Dingen bundesdeutscher Staatsangehöriger. Es hieß diese würden die Preise für Grundstücke "hochtreiben". Aber natürlich profitierten auch viele Grundbesitzer von dieser Entwicklung und heute ist die Gemeinde Raeren eine der reichsten Gemeinden, zumindest im deutschen Sprachgebiet Belgiens.
P.S.: Der Ursprung des Schengen-Abkommen: Am 15. Juni 1985 vereinbarten im luxemburgischen Schengen Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Deutschland ein Übereinkommen, dessen Kernsatz lautet: „Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden“. Vom Ort der Unterzeichnung leitet sich der Name „Schengener Abkommen“ ab.
Der Beitrag wurde verfasst von Walther Janssen (dialog@waltherjanssen.eu)